Schiller nannte es „Erhabenheit“. Wenn eine Sache dich innerlich berührt, aber nicht nur weil sie schön ist, sondern weil sie dich in einer unerklärlichen Weise berührt. Das Erhabene beinhaltet immer auch Unerreichbarkeit und Ohnmacht gegenüber des Anderen. Es ist das einzige Wort was auch nur ansatzweise ausreicht, um die Übermacht der Schweizer Berge zu beschreiben, deren Vollkommenheit ich mit meinen Fussstapfen heute verschandelt habe.
Planning
Das Schwierige bei der Planung des ersten Ausflugs ist die Vielfalt der Möglichkeiten. Wenn es nichts gibt, kann man nichts machen. Gibt es nur einen Weg, kann man sich nicht verlaufen. Wenn es aber in alle Richtungen gefühlte 100 Möglichkeiten gibt, was dann? Und so ging es mir. Am zweiten gemeinsamen Abend hat mir mein Host Richard zahlreiche Vorschläge für Ausflüge in die Umgebung gemacht. Malbun, Vaduz, Säntis, Walensee, Wildhausen und Umgebung…etc. Ich habe alles brav in meinem kognitiven Speicher platziert und das Internet nach den gegebenen Schlagworten durchwandert.
Wildhausen, Unterwasser
Gut…Ziel gefunden. Ich habe mich nun für die Gegend um Wildhausen – Unterwasser – Alt St. Johann entschieden. Dort findet man den Chäserrugg, der mit 2262m eine ansprechende Höhe hat. Da will ich hin. Nur wie? Bus oder Bahn oder Auto oder wie? Richard meint: «Geh mal zur SBB (wir erinnern uns: Nicht Schweizer Bobbahn!!!) – und frage da mal. Die können Dir genau sagen, was du brauchst.» Also stampfe ich am Freitag in der Mittagspause zur SBB und entscheide mich für eine 09:00 Uhr Multi-Tageskarte. Die erlaubt es mir, an 6 beliebigen Tagen ab 09:00 Uhr (Wochentags) oder ganztägig (Wochenende und Feiertage) das Ostwind Verbundnetz zu nutzen. Das bedeutet, ich könnte sogar an einem Tag bis nach Konstanz oder Schaffhausen fahren, da beide im Verbund enthalten sind. Echt Mega! Mega ist auch der Preis von 220 CHF. Aber irgendeine Kröte muss man eben schlucken.
Samstag 08.00 Uhr. Obwohl kein Wecker klingelt, bin ich wach. Also raus aus den Federn, unter die Dusche, Hackfleisch erst in die Pfanne und dann in den Mund. Anschließend Tasche gepackt und raus. Punkt 09.00 Uhr verlasse ich die Wohnung und sitze bereits 09.23 im Postauto 790 nach Wildhausen. Der Bus braust zunächst durch Buchs und Grabs, um sich schließlich durch die Berge nach Gams und Wildhausen zu schlängeln. Auf dem Weg erstreckt sich das Rheintal in schönstem Sonnenschein.
In Wildhausen verlasse ich den Bus und nähere mich der Station für den Lift/Gondel. Hier soll also mein Leben enden. In einem Schweizer Ort auf einem Skilift. Vermutlich hänge ich am Ende nur noch an den Kniekehlen und resigniert schreiend da. Aber gut…Mutig kämpfe ich mich an den Ticket-Schalter. Ich bin ja vorbereitet und gebe meine Bestellung auf. „Nidisischindächombünaschionwoschiehabnwollnnischmöglicchh“. Mist! Ich bin im falschen Ort ausgestiegen. Das Winterwander-Tagesbillete, welches ich im Sinn hatte, kann man nur in Unterwaser oder Alt. St Johann erwerben und es gilt auch nur für die dort ansässigen Fahrgeschäfte. Na gut…dann eben zu Fuss. Entsprechend mache ich mich auf den Weg von Wildhausen nach Iltios. In Iltios möchte ich dann die Gondel nutzen, um auf 2262 Meter Höhe zu kommen und den grandiosen Ausblick zu geniessen.
Iltios
Der Weg von Wildhausen nach Iltios ist beschildert. Dumm nur, dass ich die Schilder falsch deute, mich an einer Autostraße orientiere und irgendwann vor einem leeren Stall stehe, von dem aus es nicht weiter geht. Zum Glück gab es dort keine Rinder mehr. Die angriffslustigen Gänse kamen auch erst später. Was mir bisher nicht klar war, die Skipisten sind zum Teil auch die Winter-Wanderwege. Das erkenne ich jedoch erst, nachdem ich mich vom Kuhstall quer durch den Schnee gerobbt hatte, immer in Richtung der fern scheinenden Gondelanlage. An der Gondel angekommen stelle ich fest: es ist die falsche Gondel. Iltios ist noch etwa 15 Minuten entfernt. Prima gemacht! Aber immerhin: nicht vollkommen falsch. Also eine kurze Stärkung und dann geht es weiter. Rund um mich schwirren die Schlitten und Ski und Snowboards. Aber es ist traumhaft schön.
Chäserrugg
Chäserrugg Basisstation. Einmal rauf, wieder runter und runter bis nach Unterwasser: 56CHF. Ich wunder mich, dass die öffentlichen Toiletten kostenlos sind. Egal! Auf geht es. Als Einziges Geschöpf ohne Brett-Support quetsche ich mich mit 79 anderen Menschen in die enge Gondel und lass emich von 1350 müM auf 2262 müM chauffieren. Unter uns Ski, Snowboards, Schlitten und Gämsen.
Die Aussicht vom Chäserrugg ist Inbegriff jener Erhabenheit vom Anfang. Es lässt sich nicht beschreiben. Hier sollen Bilder sprechen.
Gegen 14 Uhr zieht es sich langsam zu. Ich wärme mich noch ein wenig auf und fahre zurück ins Tal. In Unterwasser nehme ich das Postauto zurück nach Buchs und bin um 17 Uhr froh, zu Hause zu sein.
2 replies on “Ein erster Ausflug in die Ostschweiz”
Na das war ja mal ein Ritt… und arm geworden bist du dabei auch noch… . Klingt aber so, als lässt es sich gut aushalten. Viel Spaß noch.
WOW, da scheinst Du es ja in jeder Hinsicht richtig gut getroffen zu haben !
Ich schliesse mich übrigens den Kommentatorinnen des ersten Beitrags voll und ganz an, haste gut gemacht !!